Soziale und kommerzielle Determinanten der Mundgesundheit
Kontext
In den vergangenen zehn Jahren haben immer mehr wissenschaftliche Belege und ein zunehmendes Verständnis der Auswirkungen sozialer und kommerzieller Faktoren auf die Mundgesundheit zu einer Vielzahl von Publikationen und Stellungnahmen weltweit geführt. Für den Weltverband der Zahnärzte FDI ist es erforderlich, in der vorliegenden Stellungnahme auf diese Erkenntnisse einzugehen und nachdrücklich auf die weiteren ökologischen, sozio-ökonomischen und politischen Herausforderungen hinzuweisen, die sich auf die Belastung durch Oralerkrankungen auswirken.
Geltungsbereich
Die vorliegende Stellungnahme beschreibt die umfassenderen, umweltbedingten und gesellschaftlichen Risikofaktoren für Munderkrankungen, die in den meisten Fällen auch für andere nichtübertragbare Krankheiten gelten. Die Stellungnahme auf die Bedeutung frühzeitiger präventiver Maßnahme im Rahmen eines gemeinsamen Risikofaktorenansatzes, um eine Prävalenz oraler Erkrankungen und Ungleichheiten in der zahnmedizinischen Versorgung zu verringern. Weiterhin bestätigt die Stellungnahme, dass bestimmte Strategien großer Unternehmen die durch nichtübertragbare Krankheiten verursachte Krankheitslast zusätzlich erhöhen, und unterstützt deshalb Maßnahmen zur Reduzierung dieser negativen Einflüsse.
Definitionen
Soziale Determinanten der Gesundheit (SDH): nichtmedizinische Faktoren, die Einfluss auf Gesundheitsergebnisse haben. Hierbei handelt es sich um die Bedingungen, unter denen Menschen geboren werden, heranwachsen, arbeiten, leben und altern; die Systeme, die für die Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden; sowie weitere Einflüsse und Systeme, die die Bedingungen des alltäglichen Lebens bestimmen. Diese Einflüsse und Systeme beinhalten wirtschaftliche Faktoren und und Systeme, Entwicklungsagenden, Sozialnormen, Sozialpolitik und politische Systeme.1
Kommerzielle Determinanten der Mundgesundheit: Sie sind eine wichtige soziale Determinante und beziehen sich auf die Bedingungen, Handlungen und Unterlassungen kommerzieller Akteure, die sich auf die Gesundheit auswirken. Kommerzielle Determinanten entstehen im Kontext der Bereitstellung von Gütern oder Dienstleistungen gegen Entgelt und umfassen kommerzielle Aktivitäten ebenso wie das Umfeld, in dem Handel stattfindet. Sie können sich zum Nutzen oder zum Schaden der Gesundheit auswirken.2
Der gemeinsame Risikofaktorenansatz benennt Risikofaktoren, die auf zahlreiche chronische Erkrankungen innerhalb des Kontextes eines weiter gefassten, durch soziale Faktoren und Umwelteinflüsse bestimmten Milieus zutreffen. Die Mundgesundheit wird durch Ernährung, Hygiene, Tabak- und Alkoholkonsum sowie Stress- und Traumabelastungen beeinflusst.
Grundsätze
Die vorliegende Stellungnahme befasst sich mit den Herausforderungen, wie sie in dem WHO-Bericht zur globalen Gesundheit4 und der Vision 20305 der FDI beschrieben werden.
Stellungnahme
Die FDI unterstützt:
- die zunehmende Bedeutung sozialer und kommerzieller Determinanten der Mundgesundheit und des Patientenverhaltens bestimmter Bevölkerungsgruppen und hier besonders der unterprivilegierten Gruppen;
- die Zusammenarbeit mit wichtigen Interessengruppen innerhalb und außerhalb der zahnmedizinischen Profession zur Entwicklung eines integrierten Handlungsansatzes, um Ungleichheiten in der zahnmedizinischen Versorgung weltweit zu verringern und sich für die Integration der Mundgesundheit in allen politischen Feldern einzusetzen;
- die Übernahme des gemeinsamen Risikofaktorenansatzes und den Aufbau von Netzwerken mit anderen medizinischen Disziplinen, um aus den Erfahrungen anderer Fachbereiche zu lernen und den eigenen Wissensstand zu erweitern;
- gezielte, kosteneffiziente, frühzeitige oder gemeindenahe Interventionen wie die Trinkwasserfluoridierung mit dem größtmöglichen Nutzen für die Bevölkerung und dem Ziel der Verringerung von Ungleichheiten in der medizinischen Versorgung;
- die Forderung an die nationalen Zahnärztekammern (NDA), sich dafür einzusetzen, dass der bisherige Wissensstand über Gesundheitsförderung und Prophylaxe in die medizinische Praxis umgesetzt wird;
- Interventionen zur Verbesserung der Mundgesundheit im Rahmen kooperativer Politik- und Forschungsmodelle, um einige der wichtigsten Determinanten von Oralerkrankungen zu beseitigen, dazu gehören ein massiv eingeschränkter Zugang zu medizinischer Versorgung, der übermäßige Konsum von Zucker, Tabak und Alkohol, eine schlechte Mundhygiene, Stress und sozio-ökonomische Ungleichheiten;
- die Forderung, dass zahnmedizinischen Fachkräfte mit größerer Aufmerksamkeit soziale und kommerzielle Determinanten des Gesundheitszustandes einschätzen und eine umfassende Gesundheitsplanung durchführen können, die Verhaltensänderungen mit einschließt;
- evidenzbasierte Interventionen wie z. B. Gesundheitssteuern, die den negativen Auswirkungen kommerzieller Determinanten entgegenwirken;
- die Forderung, dass eine zahnmedizinische Versorgung im Rahmen der universellen Gesundheitsabsicherung für alle Menschen zugänglich und bezahlbar, annehmbar, verfügbar, kulant und aufmerksam ist.
Schlüsselwörter
Soziale Determinanten, kommerzielle Determinanten, FDI-Politik
Disclaimer
Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozio-ökonomische Zwänge widerspiegeln.
Literaturhinweise
- World Health Assembly, 62. (2009). Reducing health inequities through action on the social determinants of health. World Health Organization.
- World Health Organisation ; Commercial determinants of health https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/commercial-determinants-of-health
- Kearns CE, Schmidt LA, Glantz SA. Sugar Industry and Coronary Heart Disease Research: A Historical Analysis of Internal Industry Documents. JAMA Intern Med. 2016 Nov 1;176(11):1680-1685. doi: 10.1001/jamainternmed.2016.5394. Erratum in: JAMA Intern Med. 2016 Nov 1;176(11):1729. PMID: 27617709; PMCID: PMC5099084.
- Sheiham A, Watt RG. The common risk factor approach: a rational basis for promoting oral health. Community Dent Oral Epidemiol. 2000 Dec;28(6):399-406. doi: 10.1034/j.1600-0528.2000.028006399.x. PMID: 11106011.
- Global oral health status report: towards universal health coverage for oral health by 2030. Geneva: World Health Organization; 2022. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO
- FDI Vision 2030 : https://www.fdiworlddental.org/sites/default/files/2021-02/Vision-2030-Delivering%20Optimal-Oral-Health-for-All_0.pdf